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Mobilfunk und Gesundheit: Felder, Grenzwerte und Forschung
Wie so oft ist die Schädlichkeit eines Stoffes oder auch einer physikalischen Noxe davon abhängig, wie viel der Körper von ihm aufgenommen hat. Solange eine verträgliche Dosis nicht überschritten wird, ist die Aufnahme gesundheitlich unproblematisch. Wird aber diese Dosis überschritten – man spricht dann von der Wirkschwelle -, beginnt der Körper auf dieses „Zuviel“ zu reagieren und es können gesundheitliche Schäden die Folge sein.
Die Frage muss daher also eigentlich lauten: Kennen wir die Wirkschwelle, ab der unser Körper auf elektromagnetische Felder reagiert? Und wie vermeiden wir, dass diese Wirkschwelle überschritten wird?
Wir wissen bereits sehr viel über die Wirkung elektromagnetischer Felder auf den Organismus, und auch die Wirkschwelle ist bekannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt an, dass über das Gebiet der nichtionisierenden Strahlung, zu denen auch die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks gehören, bis heute mehr als 25.000 Artikel veröffentlicht wurden, und stellt fest, dass „die wissenschaftlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet heute umfangreicher sind als über die meisten Chemikalien“ (www.who.int). Zugleich weiß man aber auch, dass noch weiter geforscht werden muss, insbesondere zur Wirkung elektromagnetischer Felder der Endgeräte auf neurobiologische Prozesse im Gehirn und zur Frage von Hirntumoren bei Vielnutzern.
Was hat es nun mit diesen elektromagnetischen Feldern auf sich? Da es ohne ein paar physikalische Grundkenntnisse nicht geht, werden zunächst die für das Verständnis wichtigen Grundbegriffe erklärt.
Zunächst muss zwischen niederfrequenten Feldern – beispielsweise bei leitungsgebundenen Stromübertragungsanlagen und in der häuslichen Stromversorgung – und hochfrequenten Feldern, wie sie beim Rundfunk, Fernsehen und Mobilfunk vorkommen, unterschieden werden. Denn ihre Wirkung auf Lebewesen ist abhängig von ihren jeweiligen physikalischen Eigenschaften.
Niederfrequente elektromagnetische Felder dringen mit ihrem Magnetfeldanteil vergleichsweise tief in den Körper ein und können dort elektrische Ströme verursachen. Falls bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, können Reizerscheinungen an Nerven und Muskelzellen auftreten. Im häuslichen Umfeld kommen derart starke Felder allerdings nicht vor.
Hochfrequente elektromagnetische Felder (Rundfunk, Fernsehen, Mobilfunk, WLAN, TETRA-Behördenfunk, häuslicher Mikrowellenherd) dringen hingegen weit weniger tief in den Körper ein. Die Energie hochfrequenter Felder wird im Gewebe bereits an der Oberfläche absorbiert und in Wärme umgewandelt. In ganz besonderer Weise gilt das für den 5 G – Mobilfunkstandard, dessen Felder ab ca. 25 GHz nur etwa 1 mm tief in die Haut eindringen und keine tieferliegenden Organe erreichen. Dadurch ist beispielsweise bei Schwangeren auch der Fötus im Mutterleib gut geschützt (das gilt übrigens nicht nur für 5 G, sondern für alle Mobilfunkstandards).
Wie viel Hochfrequenzenergie ein Körper aufnimmt und in Wärme umwandelt, hängt auch von der chemischen Zusammensetzung (Wassergehalt!) und den geometrischen Abmessungen des Körpers ab.
Der Körper kann die Wärmezufuhr in gewissem Umfang durch Wärmeabtransport über den Blutkreislauf und andere Prozesse ausgleichen. Im Hochfrequenzbereich kommt es nicht zu einer Erregung von Nerven- und Muskelzellen.
Mobilfunk: Grenzwerte
Um den Körper vor übermäßiger Erwärmung – man spricht dann von einem thermischen Effekt – zu schützen, hat der Gesetzgeber für den Mobilfunk Grenzwerte festgelegt. Diese orientieren sich an der thermischen Wirkschwelle, ab der ein physiologisch relevanter Temperaturanstieg messbar ist. Er tritt ab einer absorbierten Leistung von etwa 4 Watt pro Kilogramm (W/kg) Körpergewicht auf. Dies bedeutet zwar noch keinen gesundheitlichen Schaden, aber der Körper reagiert bereits mit Schwitzen und Steigerung der Durchblutung. Um solche Effekte sicher auszuschließen, wurde der Grenzwert für die allgemeine Bevölkerung auf 0,08 W/kg festgelegt, also auf einen Wert fünfzigfach unterhalb der Wirkschwelle.
Neben diesem so genanten Basisgrenzwert (Dimension Watt/kg Gewebe) für Ganzkörper- und Teilkörperexposition gibt es auch abgeleitete Grenzwerte (elektrische Feldstärke in V/m und die Leistungsflußdichte in W/m2), die meßtechnisch und damit auch regulatorisch leichter zugänglich sind.
Die Grenzwerte gelten sowohl für Mobilfunkantennen von Basisstationen (im Folgenden kurz als Mobilfunkantennen bezeichnet) als auch für Handys, Smartphones und andere Endgeräte. Bei Einhaltung dieser Werte, das haben umfangreiche Untersuchungen ergeben, können keine gesundheitlichen Wirkungen mehr nachgewiesen werden. Die Grenzwerte sind in der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) verankert. Sie sind so niedrig bemessen, dass auch bei dauerhaftem Aufenthalt (Exposition) keine nachteilige gesundheitliche Wirkung eintritt.
Die genannten Grenzwerte basieren auf den Richtlinien der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) aus dem Jahr 1998. Sie gelten auch für den aktuellen Mobilfunkstandard 5 G zur Breitbandversorgung.
Von der ICNIRP für den Frequenzbereich des Mobilfunks empfohlene Werte:
Informationszentrum Mobilfunk (IZMF), 2008
ICNIRP hat diese Richtlinien in 2020 überarbeitet.
Die neuen Richtlinien berücksichtigen eine umfangreichere und aktuellere Datenbasis sowie moderne technologische Entwicklungen. Die Wirkschwelle von 4 Watt pro Kilogramm (W/kg) Körpergewicht und die daraus abgeleiteten Grenzwerte werden auch für Frequenzen oberhalb von 6 GHz als angemessen angesehen, allerdings wird die Energieabsorption in diesem Frequenzbereich genauer („feinmaschiger“) modelliert.
Mobilfunk – Sicherheitsabstände um Antennen herum
Sicherheitsabstände, die im Umfeld von wenigen Metern um eine Mobilfunkantenne festgelegt werden und deren Bereiche für die Allgemeinheit unzugänglich sein müssen, garantieren, dass die Grenzwerte überall sicher eingehalten werden und ein dauerhafter Aufenthalt außerhalb des Sicherheitsabstands ohne gesundheitliche Probleme möglich ist. Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) legt für jede Mobilfunkantenne gesondert den Sicherheitsabstand fest und überprüft stichprobenartig die Einhaltung der Grenzwerte.
Dabei wird auch berücksichtigt, ob sich nur eine oder mehrere Mobilfunkantennen oder gar andere relevante Funkquellen in der Nähe befinden. In keinem Fall darf der zulässige Grenzwert überschritten werden. Wie sieht es nun in der Praxis aus? Messungen, wie sie regelmäßig von der Bundesnetzagentur durchgeführt werden, zeigen, dass die Grenzwerte an den für die Öffentlichkeit zugänglichen Stellen deutlich unterschritten werden, meist um ein Vielfaches, oft um das Hundert- bis Tausendfache, im Gebäude noch stärker. Das bestätigen die im Auftrag des IZMF vom TÜV durchgeführten Messreihen in verschiedenen Bundesländern.
Die Standortdatenbank der Bundesnetzagentur finden Sie hier.
Typische Ausbreitung der elektromagnetischen Felder einer Mobilfunkantenne
Genau wie Mobilfunkantennen unterliegen auch Smartphones – denn auch sie senden ja – gesetzlichen Vorschriften, die festlegen, wie hoch der maximale Energieeintrag in den Körper sein darf, also wie viel Energie der vom Smartphone ausgesendeten elektromagnetischen Felder vom Körper aufgenommen werden darf.
Im Gegensatz zu den Mobilfunkantennen, die meist viele Meter entfernt sind, befindet sich die Handyantenne nah am Kopf – der Energieeintrag ist daher nachgewiesenermaßen deutlich höher. Unter ungünstigen Empfangsbedingungen, also bei starker Sendeleistung und nach einem längeren Telefonat, kann es daher im Kopf zu einer Temperaturerhöhung kommen. Diese erreicht aber maximal nur rund 1/10 Grad und liegt damit im Bereich normaler Temperaturschwankungen – der Körper kann sie also problemlos verarbeiten.
Mobilfunkgrenzwerte: Verfahren der Festlegung
Mobilfunk: Sendeleistung von Smartphones und Sicherheitsstandards
Wie stark sendet ein Handy alter Bauart? Ein solches Handy sendet nicht! Erst während eines Telefonats oder während einer Datenübertragung sendet es mit einer bestimmten Sendeleistung. Diese ist abhängig von der Verbindungsqualität und dem Standard des jeweiligen Mobilfunknetzes.
Grundsätzlich gilt: Je kürzer die Entfernung, um so geringer ist die Sendeleistung. Grund dafür ist die automatische Leistungsanpassung im Handy, die dafür sorgt, dass das Handy immer nur mit so viel Leistung sendet, wie für eine gute Funkverbindung gerade noch benötigt wird. Die maximale (Peak)-Sendeleistung beträgt 2 Watt. Allerdings wird dieser Wert bei normaler bis guter Funkverbindung deutlich unterschritten.
Für Smartphones treffen diese Aussagen nur bedingt zu, denn sie erledigen viel im Hintergrund. Smartphones fragen je nach Konfiguration Standortdaten ab, aktualisieren Apps im Hintergrund und empfangen Messenger-Nachrichten. Dieser Datenverkehr verursacht – auch ohne dass telefoniert wird – eine bestimmte, von der Entfernung zum Körper abhängige Feldbelastung.
Kurze Distanzen verringern die Sendeleistung von Handys
Forschungsergebnisse aus dem Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm zeigen, dass Mobiltelefone im GSM-Netz je nach Netzversorgung den maximalen Sendeleistungspegel während 5 bis 30 Prozent der Gesprächsdauer erreichen. Bei UMTS-Smartphones werden aufgrund der niedrigeren Sendeleistungspegel und aufgrund der effektiveren automatischen Sendeleistungsregelung deutlich geringere Energieeinträge erzeugt. Das gilt auch für LTE- und 5 G-Smartphones.
Die Höhe des Sendeleistungspegels kann man – in gewissem Rahmen – sogar selbst beeinflussen. Wichtig ist, stets auf eine gute Empfangsqualität des Handys/Smartphones zu achten. Sie wird auf dem Anzeigedisplay des Handys dargestellt, und zwar in Form von Balken neben einem Antennensymbol. Viele Balken zeigen an, dass die Empfangsqualität gut ist, wenige oder gar kein Balken bedeuten, dass sie schlecht ist oder aktuell kein Empfang möglich ist.
Um die Empfangsqualität zu verbessern, sollte man daher eine möglichst kurze Distanz zur jeweiligen Mobilfunkantenne haben. Am besten ist es, wenn man in Sichtweite bzw. Reichweite der Antenne ist. An gut besuchten Orten werden daher oftmals „Small Cells“ installiert. Das sind Funkzellen zur kleinräumigen Versorgung und zur Verdichtung des Netzwerks.
Da Hindernisse wie Wände und Mauern den Empfang beeinträchtigen, sollte man in geschlossenen Räumen ans Fenster treten und von dort telefonieren. Im Auto sollte bei langen Telefonaten eine Außenantenne verwendet werden, da auch die Karosserie qualitätsmindernd wirkt. Fahrern eines Fahrzeugs ist das Telefonieren mit dem Handy ohne Freisprecheinrichtung ohnehin vom Gesetzgeber untersagt.
Welche Sicherheitsstandards gelten für Handys und Smartphones?
Handys/Smartphones müssen in Deutschland und Europa den SAR-Grenzwert gemäß der Norm EN 50360 einhalten, der mit den Empfehlungen der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) übereinstimmt.
SAR ist die Abkürzung für Spezifische Absorptionsrate. Diese ist ein Maß für die Aufnahme von Feldenergie durch den Körper pro Zeiteinheit und wird in Watt pro Kilogramm Körpergewebe gemessen.
Der SAR-Grenzwert beträgt 2 Watt pro Kilogramm Körpergewebe für die Teilkörperabsorption im Kopfbereich – also für die Benutzung eines Handys, wenn es am Kopf gehalten wird. Da jedes Handy/Smartphone unterschiedlich aufgebaut ist, muss der SAR-Wert mit einem speziellen Messverfahren für jedes Handy gesondert ermittelt werden. Das Messverfahren ist standardisiert und in der Europäischen Norm EN 50361 festgelegt. Sämtliche heute auf dem Markt erhältlichen Handys halten diesen Grenzwert sicher ein.
Die normgerecht angegebene SAR wird bei größtmöglicher Sendeleistung eines Handys bzw. Smartphones ermittelt. In der Regel aber ist der tatsächliche SAR-Wert während des Betriebs wesentlich geringer. Grund ist die so genannte dynamische Leistungsanpassung. Diese sorgt dafür, dass Handys und Mobilfunkantennen immer nur mit der minimal notwendigen Leistung senden. Sie liegt im Mittel weit unterhalb der maximal möglichen Sendeleistung. Die vom Handy ausgesendete Leistung ist übrigens umso niedriger, je besser das Funknetz ausgebaut ist und je näher man sich an einer Mobilfunkantenne befindet.
Grenzwerte und nichtthermische („athermische“) Effekte
Immer wieder wird die Frage diskutiert, ob nicht vom Mobilfunk unterhalb der Grenzwerte möglicherweise auch „nichtthermische Effekte“ ausgehen können, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen und die wir noch nicht kennen.
Unter nichtthermischen Effekten versteht man biologische Effekte, die nicht mit einer Wärmewirkung verbunden sind, aber möglicherweise eine körperliche Reaktion hervorrufen oder unterstützen können. Teilweise werden die nichtthermischen Effekte mit der Pulsung der Mobilfunkfelder in Verbindung gebracht, die in den einzelnen Mobilfunkstandards ( 2 G – 5 G) unterschiedlich stark ausgeprägt ist.
Die in Teilen der Fachwelt diskutierten nichtthermischen Effekte betreffen vorwiegend das zentrale Nervensystem (ZNS), was angesichts der Handynutzung im Kopfbereich nachvollziehbar ist. Allerdings ist im Zuge des inzwischen überwiegenden Smartphone-Gebrauchs eine deutliche Veränderung des Nutzerverhaltens (weniger Telefonate und SMS, steigende Nutzung sozialer Netzwerke und mobiler Dienste) zu beobachten.
Die Untersuchungen zu nichtthermischen Effekten beziehen sich unter anderem auf:
- Veränderungen von Hirnströmen (EEG) und Schlafparametern
- Veränderungen der kognitiven Leistungen
- Veränderungen der Hormonausschüttung (insbesondere von Melatonin)
- Öffnung der Blut-Hirn-Schranke
- Veränderungen im Blutbild (Retikulozytenreifung, „Geldrolleneffekt“)
- das Auftreten von Befindlichkeitsstörungen (Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Tinnitus)
Weitere Berichte betreffen mögliche Schädigungen des Erbgutes und Auswirkungen auf das Krebsgeschehen.
Was ist von diesen Berichten zu halten?
Aus den weltweit bisher vorliegenden Untersuchungen und Bewertungen und den Ergebnissen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms zeichnet sich bereits ein gut umrissenes Bild ab.
Das Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm und weitere Studien zur Mobiltelefonnutzung
Das Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm (DMF) wurde von der Bundesregierung unter Federführung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) zwischen 2002 und 2008 durchgeführt. Im Rahmen dieses Forschungsprogramms wurden 54 Forschungsvorhaben in den Disziplinen Biologie, Dosimetrie, Epidemiologie und Risikokommunikation auf den Weg gebracht.
Forschungsprojekte im Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm.
Grafik: Informationszentrum Mobilfunk (IZMF), 2009.
Ziel des Forschungsprogramms war es, noch vorhandene wissenschaftliche Unsicherheiten zu reduzieren sowie drängende, in der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit diskutierte Fragen zu klären und damit zur Aufklärung der Bevölkerung über mögliche gesundheitliche Risiken des Mobilfunks beizutragen.
Das DMF, die einzelnen Forschungsvorhaben des DMF und deren Ergebnisse sowie der Abschlussbericht zum DMF mit einer Bewertung der Ergebnisse durch das Bundesamt für Strahlenschutz sind im Internet unter www.emf-forschungsprogramm.de veröffentlicht.
Im Ergebnis halten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) die geltenden Grenzwerte für ausreichend, um die Bevölkerung zuverlässig zu schützen. Weiterer Klärungsbedarf wird im Bereich der Langzeitwirkung bei der Nutzung von Mobilfunkgeräten und möglichen Auswirkungen des Mobilfunks auf Kinder gesehen.
Mobiltelefonnutzung und Hirntumoren (INTERPHONE, CEFALO-, Mobi-Kids-und COSMOS-Studie)
INTERPHONE-Studie
In 2001 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein internationales Forschungsprojekt (INTERPHONE-Studie) ins Leben gerufen. Die Koordination lag in den Händen der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) in Lyon. Es wurde untersucht, ob die Nutzung von Handys die Krebsentstehung unterstützen kann. Die beteiligten Forscher in 13 Ländern fokussierten ihre Aufmerksamkeit auf Gliome (Tumoren des Stützgewebes im Hirn), Meningeome (Tumoren der Hirnhaut), Akustikusneurinome (Tumoren des Hörnervs) und Parotistumoren (Ohrspeicheldrüse).
Die Wissenschaftler befragten Patienten mit einem diagnostizierten Tumor nach ihrem früheren Telefonierverhalten. Zum Vergleich zogen sie gesunde Menschen der gleichen Altersgruppe heran und interviewten auch diese zu ihren Telefoniergewohnheiten.
Die Ergebnisse sind im Mai 2010 veröffentlicht worden:
- Bei Nutzungszeiten von weniger als zehn Jahren ist keine Risikoerhöhungen beobachtet wurden.
- Bei intensiver Langzeitnutzung von mehr als zehn Jahren liegen Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Hirntumoren (Gliome, Meningeome) vor.
(Anmerkung: Regulär erkranken nur sehr wenige Menschen an einem Gliom oder Meningeom. Falls ein ursächlicher Zusammenhang tatsächlich bestünde (was noch offen ist), würde eine Erhöhung um 40% bzw. 15% nur wenige zusätzliche Fälle ausmachen.)
Die SCENIHR-Stellungnahme vom Januar 2015 zeigt auf Seite 79 eine eindrucksvolle Grafik, auf der die zu erwartende Zunahme von Hirntumoren (Gliomen) gezeigt wird, wenn das Risiko je nach Annahme um den Faktor 1.2, 1.5 oder 2 zugenommen hätte. Tatsäch wird jedoch kein Anstieg der Gliominzidenz beobachtet.
CEFALO-Studie (2011):
Für Kinder und Jugendliche hat die Universität Basel in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Dänemark, Norwegen und Schweden eine eigene Studie aufgelegt: die CEFALO-Studie (International case-control study on mobile phone use and the risk of brain tumors in children and adolescents). Sie verglichen 352 Kinder/Jugendliche in der Altersgruppe 7 – 19 Jahre mit einem diagnostizierten Hirntumor mit 646 gesunden Kindern/Jugendlichen und fragten beide Gruppen nach ihrem Telefonierverhalten.
Die Ergebnisse sind im Juli 2011 veröffentlicht worden (Aydin et al. 2011):
- Das Fehlen einer Dosis-Wirkungsbeziehung und einer Kopfseitenabhängigkeit sprechen gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen mobilem Telefonieren und Hirntumoren.
Mobi-Kids-Studie
In der bereits erwähnten Interphone-Studie der Weltgesundheitsorganisation zur Frage eines Zusammenhangs von Hirntumoren und Handynutzung werden Kinder nicht als eigenständige Gruppe betrachtet. Daher wurde von der WHO unter der Bezeichnung „Mobi-Kids“ eine Fall-Kontroll-Studie initiiert, die dieser Frage nachgehen sollte.
Die im Dezember 2021 veröffentlichten Ergebnisse der MOBI-Kids-Studie stützen die Ergebnisse vorliegender Studien an Erwachsenen, in denen es mehrheitlich kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Hirntumoren bei intensiver Nutzung von Mobiltelefonen gibt.
COSMOS-Studie
Vorbemerkung: bei der Interphone-, der CEPHALO- und der Mobi-Kids-Studie handelt es sich um so genannte Fall-Kontroll-Studien, die „rückwärtsschauend“ Zusammenhänge zwischen einer Exposition und dem Auftreten bestimmter Erkrankungen untersuchen. Den Vorteilen von Fall-Kontroll-Studien wie z.B. einer meist guten Effizienz, vergleichsweise rascher Durchführbarkeit und geringen Kosten stehen Nachteile wie mögliche Erinnerungsverzerrungen und Auswahlprobleme bei der Kontrollgruppe (fehlende Repräsentativität) gegenüber.
Einen anders angelegten Ansatz stellen so genannte „prospektive Kohorten-Studien“ dar, die in die Zukunft gerichtet sind.
Die COSMOS (The Cohort Study on Mobile Phones and Health)-Studie ist eine solche, seit 2010 laufende Langzeitstudie mit mehr als 260 000 Teilnehmern aus Skandinavien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Sie untersucht die Häufigkeit des Auftretens von Hirntumoren (Gliome, Meningeome und Akustikusneurinome) bei langjährigen Mobilfunk-Nutzern in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität. Bisherige Auswertungen konnten keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Hirntumoren und Mobiltelefonie aufzeigen.
ARPANSA und WHO
Die australische Strahlenschutzbehörde ARPANSA kam im September 2024 in einer von der WHO in Auftrag gegebenen Studie zum Schluß, dass es keine Assoziation zwischen Smartphone-Nutzung und Tumoren im Kopfbereich gibt. Diese Studie beinhaltet die weltweit bislang größte und umfassendste Auswertung aller vorliegenden Ergebnisse zu diesem Thema.
SEAWAVE-Projekt
Das von Juni 2022 – Juni 2025 laufende SEAWave-Projekt (das Acronym steht für: Scientific-based Exposure risk Assessment of radiofrequency and mm-Wave systems from children to elderly (5G and Beyond)) beinhaltet eine Expositions- und Risikobewertung von Hochfrequenz- und Millimeterwellensystemen für alle Altersgruppen und neueste Mobilfunk-Technologien (5 G und zukünftige Standards).
Mobilfunk und Langzeit-Tierversuche
Hier sind insbesondere die Ramazzini-Studie an Ratten (2018) und die NTP-Studie an Mäusen und Ratten (2016/2018) zu nennen.
Die Ramazzini-Studie untersuchte die Auswirkungen von lebenslang einwirkenden Mobilfunk-Feldern in Bezug auf die Krebsentstehung bei Ratten.
Die Exposition unterhalb und in Höhe des Grenzwerts begann in der pränatalen Phase und setzte sich bis zum natürlichen Tod der Tiere fort. Die Studie fand eine erhöhte Inzidenz von bösartigen Schwann-Zell-Tumoren (Schwannomen) am Herzen bei männlichen Ratten. Auch ein leichter Anstieg von Tumoren im Gehirn und anderen Organen wurde beobachtet.
Die NTP-Studie wurde vom National Toxicology Program der USA durchgeführt. Sie gilt als eine der umfassendsten und detailliertesten Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung. In dieser Langzeitstudie wurden Ratten und Mäuse über einen Zeitraum von zwei Jahren verschiedenen Intensitäten von Mobilfunkstrahlung (2G und 3G) über 9 Stunden ausgesetzt.
Die Studie fand eine erhöhte Inzidenz von Schwannomen bei männlichen Ratten.
Es gab auch Hinweise auf eine erhöhte Inzidenz von Hirntumoren (Gliome) bei männlichen Ratten. Bei weiblichen Ratten und Mäusen waren die Ergebnisse weniger eindeutig. Die NTP-Studie gilt als eine der robustesten Studien in diesem Forschungsbereich.
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat beide Studien vergleichend bewertet. Sein Fazit: „Aus Sicht des BfS liefern weder die Ramazzini- noch die NTP-Studie eine verlässliche Evidenz für eine karzinogene Wirkung von langandauernder Ganzkörperexposition mit elektromagnetischen Feldern im Bereich der Grenzwerte“.
Mobilfunk: Bewertung von Forschungsergebnissen
Zur Grundlage unseres naturwissenschaftlichen und medizinischen Wissens gehört, dass neue Studienergebnisse von anderen Forscherkollektiven überprüft werden. Wenn eine Beobachtung tatsächlich auf eine Ursache – beispielsweise auf den Mobilfunk – zurückgeführt werden kann und andere Ursachen ausgeschlossen werden können, wird geprüft, ob es erkennbare Auswirkungen auf die Gesundheit gibt.
Bewertungsverfahren für Studien zu möglichen Auswirkungen von Mobilfunkfeldern
Im Fall der genannten nichtthermischen Wirkungen haben Fachleute auf der ganzen Welt, Vertreter namhafter Gremien und Institutionen (die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung ICNIRP, die Weltgesundheitsorganisation WHO, der wissenschaftliche Ausschuss der EU für Gesundheitsrisiken SCENIHR, die deutsche Strahlenschutzkommission) diese Beobachtungen und Berichte einer solchen kritischen Prüfung unterzogen.
Die weitaus meisten Wissenschaftler sind heute der Ansicht, dass unterhalb der gegenwärtig geltenden Grenzwerte keine athermischen Effekte von gesundheitlicher Bedeutung auftreten. Die Ergebnisse des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms bestätigen diese Auffassung.
Die australische Strahlenschutzbehörde ARPANSA kam im September 2024 in einer von der WHO in Auftrag gegebenen Studie zum Schluss, dass es keine Assoziation zwischen Smartphone-Nutzung und Tumoren im Kopfbereich gibt.
Mobilfunkkritische Ärzte und Wissenschaftler
Einige Wissenschaftler und Gruppierungen (z.B. Bioinitiative, Kompetenzinitiative) vertreten jedoch eine gegenläufige Meinung und fordern eine Absenkung der Grenzwerte.
Das von diesen Wissenschaftlern angemahnte vorsorgliche Handeln ist verständlich, jedoch sollten Vorsorgeempfehlungen auf der Grundlage von Studien ausgesprochen werden, die anerkannten Regeln der wissenschaftlichen Forschung genügen.
Fachliche Einordnung dieser Forderungen
Vielfach sind die oben angeführten Beobachtungen zu nichtthermischen Effekten unter Bedingungen gemacht worden, wie sie während eines Handytelefonats vorherrschen. Sie sind also nicht auf die typischerweise 100- bis 10.000-fach kleineren Felder im Umfeld von Mobilfunkantennen übertragbar. Meist konnten sie auch nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden. Dies wird in der öffentlichen Diskussion oftmals übersehen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Felder von Mobilfunkantennen Einfluss auf Hirnströme, auf das Wohlbefinden und den Schlaf, auf die Hormonausschüttung oder gar die Blut-Hirn-Schranke haben.
Eine Zusammenfassung mobilfunkkritischer Sichtweisen findet sich in den EUROPAEM EMF Guideline 2016 for the prevention, diagnosis and treatment of EMF-related health problems and illnesses (Autoren: Igor Belyaev / Amy Dean / Horst Eger / Gerhard Hubmann / Reinhold Jandrisovits / Markus Kern / Michael Kundi / Hanns Moshammer / Piero Lercher / Kurt Müller / Gerd Oberfeld / Peter Ohnsorge / Peter Pelzmann/ Claus Scheingraber / Roby Thill).
Die Autoren sind der Meinung, dass es Belege dafür gäbe, dass “die Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern einen starken Einfluss auf die oxidative und nitrosative Regulationsfähigkeit von Betroffenen ausübt” (Zitat aus dem deutschen Abstract der genannten Guideline).
Der amerikanische Biochemiker M. Pall hat eine polemisch gehaltene Broschüre „5G als ernste globale Herausforderung” veröffentlicht (Kompetenzinitiative e. V. 2019).
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Weiterführende Links
www.arpansa.gov.au/who-review-finds-no-link-between-mobile-phone-use-and-brain-cancer
www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/broschueren/emf/standpunkt-5g.html
www.bfs.de/DE/themen/emf/kompetenzzentrum/berichte/berichte-mobilfunk/berichte_node.html
www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/basiswissen/5g/5g.html
www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/vorsorge/smartphone-tablet/smartphone-tablet.html
www.bfs.de/DE/themen/emf/kompetenzzentrum/berichte/berichte-mobilfunk/mobi-kids.html
www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/fachinfo/emf/kompetenzzentrum/hochfrequenz-5g-hautzellen.html
Autor/innen: Dr. M. Otto | Prof. K. E. von Mühlendahl
Zuletzt aktualisiert: 29.10.2024