Die Aufnahme, Verteilung und Verweildauer von Umweltstoffen im menschlichen Körper hängen zu einem großen Teil von den spezifischen chemischen Stoffeigenschaften und vom Aufnahmepfad ab. Für Detailinformationen hierzu sei auf toxikologische Lehrbücher (s. u.) verwiesen.
Ein paar Besonderheiten, die für das Human-Biomonitoring von Bedeutung sind, werden nachfolgend erwähnt:
Reaktive Gase wie beispielsweise Ozon, Schwefeldioxyd oder Formaldehyd reagieren mit Eiweißen der Schleimhaut und scheiden daher für ein Human-Biomonitoring aus.
Einige Umweltstoffe, beispielsweise das Lösemittel Toluol und auch Formaldehyd, können nur mit Schwierigkeiten direkt erfasst werden. Dagegen sind ihre Stoffwechselprodukte (Hippursäure beim Toluol, Ameisensäure beim Formaldehyd) im Urin gut messbar. Allerdings werden sowohl Hippursäure als auch Ameisensäure im normalen Körperstoffwechsel produziert. Das hat einen hohen „Blindwert“ zur Folge, der auch ohne Umweltbelastung gefunden wird. Für Biomonitoring-Untersuchungen der Bevölkerung mit einer üblichen Toluol- bzw. Formaldehydbelastung wäre diese Messstrategie also nicht sinnvoll. Sie hat aber eine bestimmte Berechtigung in der Arbeitsmedizin, wo die Belastungen unter Umständen deutlich höher sein können.
Schwermetalle werden je nach ihrer chemischen Spezies (Vorliegen als Metall, als anorganisches Ion oder als organische Verbindung) unterschiedlich stark im Magen-Darm-Trakt resorbiert und über die Blutbahn im Körper verteilt. Dort lagern sich Schwermetalle oftmals in der Leber, in der Niere und - im Falle metallischer Quecksilberdämpfe und organischer Quecksilberverbindungen - auch im Gehirn ab. Hier ist ein Human-Biomonitoring im Blut oder im Urin möglich. Die Schwermetallkonzentration in den “kritischen Organen“ wie Leber, Niere, Gehirn etc. ist praktisch nicht zugänglich. Hier müssen die Schwermetallgehalte im Blut oder Urin als “Ersatzparameter“ herhalten.
Gelegentlich werden bei solchen Fragestellungen Komplexbildner wie Dimaval (DMPS) oder Dimercaptobernsteinsäure (DMSA) vorab verabreicht, um „die Schwermetalle aus ihren Speicherorten herauszulösen“ (zur Veranschaulichung wird oftmals von einem “toxikologischen Vergrößerungsglas“ gesprochen). Diese Komplexbildnergabe zu diagnostischen (= Human-Biomonitoring-) Zwecken ist wenig sinnvoll, da gegenüber einer klassischen HBM-Untersuchung keine zusätzlichen Informationen erhalten werden. Es fehlen gesicherte Beurteilungs- und Referenzwerte und zudem sind solche Messungen wenig reproduzierbar, da jede Komplexbildnergabe später nachfolgende Messungen beeinflusst.
Organische Stoffe gelangen nach ihrer Resorption über den Magen-Darm-Trakt und über die Pfortader in die Leber und unterliegen dort einem sogenannten First-Pass-Effekt, der in der Pharmakologie eine wichtige Rolle spielt. Die resorbierten Stoffe werden über das körpereigene Biotransformationssystem („Entgiftungssystem“) in leichter wasserlösliche Stoffe umgewandelt und ausgeschieden. Werden organische Stoffe (z.B. Lösemittel) inhalativ, dermal oder per i.v. Injektion aufgenommen, gelangen sie direkt ins Blut und der Firstpass-Effekt entfällt. Das hat Einfluss auf den zeitlichen Verlauf der Stoffkonzentration im Blut und im Urin und damit letztlich auf den optimalen Zeitpunkt einer Human-Biomonitoringuntersuchung.
Schließlich spielen chemische Eigenschaften wie Fettlöslichkeit und Wasserlöslichkeit eines Stoffes im Zusammenhang mit dem Körperfettanteil des Körpers eine bestimmte Rolle. Es ist bekannt, dass bestimmte fettlösliche Umweltstoffe (z.B. höherchlorierte polchlorierte Biphenyle PCB) über Jahre hinweg im Fettgewebe gespeichert werden können. Je höher der Körperfettanteil ist, desto größer ist der “Verteilungsraum“ für einen solchen fettlöslichen Umweltstoff oder dessen Stoffwechselprodukte.
Sowohl die Biotransformationskapazität als auch die Verteilungsvolumina für wasserlösliche bzw. fettlösliche Stoffe und die Stoffausscheidung über die Niere sind altersabhängig und verändern sich besonders rasch in den ersten Lebensjahren.
Literatur
- Toxikologie - Eine Einführung für Naturwissenschaftler und Mediziner
Hrsg. Helmut Greim und Erhard Deml. Weinheim, VCH 1996,
ISBN 3-52-28483-4
- Vergiftungen im Kindesalter
Hrsg. Karl Ernst von Mühlendahl, Ursula Oberdisse, Reinhard Bunjes, und Matthias Brockstedt. Gebundene Ausgabe 2003, Enke-Verlag Stuttgart,
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- Toxikologie
2 Bände, Hans-Werner Vohr (Hrsg.), Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2010
ISBN 978-3-527-32319-7
- Karlheinz Lohs (Hrsg.): Fachlexikon Toxikologie
4. überarb. Auflage. Springer, Berlin u.a., 2009,
ISBN 978-3-540-27334-9
- Toxikologie
Wirth, Gloxhuber,1994,
ISBN 3-8351-0024-6
- Gifte und Vergiftungen - Lehrbuch der Toxikologie
Louis Lewin,Unveränderter Nachdruck. Karl F. Haug Verlag, Heidelberg 1992,
ISBN 3-8304-0694-0
- Was ist bei Kindern anders als bei Erwachsenen?
Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit (APUG) (2004)
http://www.apug.de/archiv/pdf/Broschuere_Kinder_Suszept.pdf
- Human-Biomonitoring - Verfahren der Risikobewertung von Umweltchemikalien (2007)
http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/infostelle-humanbiomonitoring/pdf/Verfahren_Risikobewertung/pdf (Seite nicht mehr online)