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Amalgamvergiftung
Dentalamalgame werden seitens einiger Patienten und Patienteninitiativen für zahlreiche Beschwerden, Störungen und Erkrankungen verantwortlich gemacht. Gelegentlich ist auch von einer Amalgamvergiftung die Rede.
In einer Informationsschrift des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (“Amalgame in der zahnärztlichen Therapie”, Informationsstand der Broschüre: Januar 2005) wird hierzu gesagt:
“Nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand besteht kein begründeter Verdacht dafür, dass ordnungsgemäß gelegte Amalgamfüllungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit des zahnärztlichen Patienten haben. Ausnahmen sind die selten auftretenden lokalen Reaktionen in der Mundhöhle sowie die sehr seltenen Fälle allergischer Reaktionen. Gleichwohl werden dem Amalgam meist in Spontanberichten von Patienten oder Patienteninitiativen die unterschiedlichsten Nebenwirkungen und Erkrankungen zugeschrieben. So werden z. B. Angst, Depressionen, Nervosität, Haarausfall, Schlafstörungen, immunologische Erkrankungen, Schmerzen und Entzündungen in verschiedenen Körperregionen, Störungen des Magen-Darm-Traktes, Herz-Kreislauf-Störungen, Galvanismus, Elektrosensibilität, Morbus Parkinson, bösartige Tumore oder Morbus Alzheimer in einen ursächlichen Zusammenhang mit Amalgamfüllungen gebracht.Von großer Bedeutung für die Erfassung und Bewertung möglicher Gesundheitsschädigungen durch Amalgam sind die nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführten epidemiologischen Studien. Eine Untersuchung an 587 schwedischen Zwillingen, bei denen durch das Vorhandensein einer “Zwillingskontrolle” der Einfluss genetischer Faktoren vernachlässigt werden kann, ergab keinerlei Hinweise auf eine durch Amalgam hervorgerufene negative Beeinflussung der körperlichen oder geistigen Gesundheit (einschließlich von Gedächtnisfunktionen). Eine Studie mit 129 Nonnen, d. h. einer bezüglich von Umwelteinflüssen sehr homogenen Population, lieferte ebenfalls keinen Hinweis für eine Gedächtnis-Beeinträchtigung durch Amalgam. Auch eine Studie an über 1200 schwedischen Frauen zeigte keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl von Amalgamfüllungen, der Quecksilberkonzentration im Blut und den berichteten Symptomen oder Krankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebserkrankungen. Verschiedene andere wissenschaftliche Veröffentlichungen kommen zu vergleichbaren Resultaten. …Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Universität Gießen fand bei Patienten mit amalgambezogenen Beschwerden signifikant mehr psychische Belastung, Depressivität und Somatisierungsstörungen, jedoch keine höheren Quecksilberkonzentrationen in Blut und Urin als bei einer Kontrollgruppe mit vergleichbarem Zahnstatus. Die Autoren schlussfolgern, dass die Ergebnisse der Studie nicht für Amalgam als Ursache der psychischen oder neurologischen Störungen sprechen. Es ist darauf hinzuweisen, dass es derzeit keinen wissenschaftlich begründeten Verdacht für ein gesundheitliches Risiko durch ordnungsgemäß gelegte Amalgamfüllungen gibt (Ausnahmen siehe oben). Gleichwohl sollten Zahnärzte und Ärzte darauf achten, dass einzelne Personen mit besonderer Empfindlichkeit gegenüber Amalgam und anderen Restaurationsmaterialien reagieren können. Füllungsmaterialien sollen daher nach sorgfältigem Abwägen ihrer Vor- und Nachteile und unter Beachtung ihrer Anwendungsgebiete bzw. Gegenanzeigen verwendet werden. Im Rahmen der Diagnostik und Therapie von Beschwerden, die mit Amalgam oder anderen dentalen Restaurationsmaterialien assoziiert werden, ist eine sorgfältige interdisziplinäre ärztlich/zahnärztliche Abstimmung gemäß dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand erforderlich.”
Zur Frage nach unerwünschten Wirkungen von Amalgamfüllungen führt die Informationsschrift aus (BfArM 2003):
“Eine … seltene Nebenwirkung von Amalgamfüllungen sind lokale Symptome an der Mundschleimhaut oder am Zahnfleisch, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu zahnärztlichen Restaurationen (z. B. Amalgam, Goldlegierungen) auftreten können. Diese sogenannten oralen lichenoiden Reaktionen zeigen sich als grauweiße nicht abwischbare Streifen oder Flecke, die oft nur schwach ausgeprägt sind. Im Unterschied zum echten Lichen planus der Mundschleimhaut können sich die Symptome oraler lichenoider Reaktionen nach Entfernung der Füllung zurückbilden. Es wird empfohlen, in solchen Fällen bei der weiteren Behandlung nichtmetallische Werkstoffe zu verwenden. In Einzelfällen sind elektrochemische Reaktionen infolge korrosiver Prozesse an Amalgamfüllungen nicht auszuschließen, wobei Geschmacksveränderungen (Metallgeschmack, im Extremfall Stanniolpapiereffekt) beschrieben wurden. Solche korrosiven Prozesse werden insbesondere durch den direkten Kontakt von Amalgam mit anderen, edleren Legierungen begünstigt. … Es wird empfohlen, auf neue Amalgamfüllungen in solchen Situationen zu verzichten.”
Pro und Contra
Die genannte Informationsschrift des BfArM ist nicht unwidersprochen geblieben. Entgegnungen stammen u. a. vom Deutschen Berufsverband der Umweltmediziner (dbu) und von der Amalgamselbsthilfegruppe SEKIS, Berlin.
Im Internet findet sich eine gute Zusammenfassung der Amalgamdiskussion und der Alternativen unter www.kzbv.de/wie-entsteht-karies.188.de.html.
Stellungnahme der Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“
Die Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“ hat im September 2007 zu Amalgam eine Stellungnahme aus umweltmedizinischer Sicht abgegeben (RKI 2007).
Aus der Zusammenfassung:
“Im Wissen um die zahlreichen diskutierten Wirkungen von Quecksilber auf sehr unterschiedliche Organsysteme, die vereinzelt auftretenden klinisch relevanten Unverträglichkeiten, die berufliche Exposition des zahnärztlichen Personals und die Umweltbelastung hält die Kommission eine weitere Minimierung der zahnärztlichen Amalgamverwendung für wünschenswert. In Anbetracht der nachweislich mit der Zahl der Amalgamfüllungen korrelierten Hg-Exposition ist eine größere Zahl von Amalgamrestitutionen bei ein und derselben Person zu vermeiden. Darüber hinaus sollen unter bestimmten Bedingungen keine neuen Amalgamfüllungen gelegt oder sogar bestehende Amalgamfüllungen entfernt werden. Quecksilberbestimmungen im Speichel, im Vollblut und in Haarproben sowie der DMPS-Test werden von der Kommission zur Abklärung einer amalgambedingten internen Quecksilberexposition nicht empfohlen. Die gesundheitspolitische Frage, welche Leistungen etwa aus der GKV für die Zahngesundheit zu erbringen und finanzierbar sind, wie auch die Problematik der Toxizität anderer Füllungsmaterialien, sind nicht Gegenstand dieser Stellungnahme. Die Kommission befürwortet die Suche nach restauratorisch gleichwertigen und umweltmedizinisch weniger bedenklichen Materialien.”
Konsenspapier zur Amalgamverwendung
Das Konsenspapier des Bundesministeriums für Gesundheit, des BfArM, der Bundeszahnärztekammer, der KZBV und weiterer zahnärztlicher Gesellschaften enthält folgende gemeinsame Positionen (1997):
1. Die besonderen Vorsichtsvorkehrungen für Schwangere und Stillende sowie hinsichtlich Allergien betreffen nicht nur Amalgam, sondern auch andere Restaurationsmaterialien.
Allergie: Restaurationsmaterialien sind generell nicht zu verwenden, wenn eine nachgewiesene Allergie gegen einen Bestandteil des Restaurationsmaterials vorliegt.
Schwangerschaft: Bei Schwangeren soll auf eine umfangreiche Füllungstherapie verzichtet werden, die über eine Notfallbehandlung (z.B. Schmerzbehandlung, Füllungsverlust) hinausgeht. Bei Schwangeren sollen möglichst keine Amalgamfüllungen gelegt bzw. entfernt werden. Nach derzeitigem Stand des Wissens gibt es keinen Beleg, dass die Belastung des Ungeborenen mit Quecksilber aus den Amalgamfüllungen der Mutter gesundheitliche Schäden beim Kind verursacht. Generell sollten während der Schwangerschaft nur kurz dauernde Behandlungen durchgeführt werden, da Diagnose und Therapie nur eingeschränkt möglich sind. Alternativ zu Amalgam sind Glasionomere, Kompomere u.a. möglich.
2. Der Hinweis auf Einschränkungen bei schweren Nierenfunktionsstörungen zielt primär auf das Quecksilber im Amalgam. Schwere Nierenfunktionsstörungen stellen eine relative Kontraindikation für die Anwendung von Amalgam dar. Es gibt hinreichende Publikationen, die die Niere als bevorzugtes Zielorgan für eine Quecksilbervergiftung beschreiben.
3. Die Entscheidung der Anwendung der geeigneten Restaurationsmaterialien bei Kindern soll von den Zahnärzten unter der Berücksichtigung der besonderen Situation der Kinder erfolgen. Aufgrund der besonderen Umstände im kindlichen Gebiss und der besonderen Umstände bei der Behandlung von Kindern an sich sollte indikationsbezogen das entsprechende Restaurationsmaterial ausgewählt werden. Da eine Behandlung mit Amalgam zu einer Belastung des Organismus mit Quecksilber führt, sollte aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sorgfältig geprüft werden, ob eine Amalgamtherapie notwendig ist. Dieses hat unter Berücksichtigung einer möglichen Belastung durch andere Restaurationsmaterialien zu erfolgen.
4. Eine Vorgabe einer generellen Reihung von Restaurationsmaterialien durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse als nicht gerechtfertigt angesehen, Entscheidungen sollten im Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Patienten gefällt werden. … Die Verantwortung für die individuelle “richtige Auswahl” des Materials liegt beim Zahnarzt. … Ärzte und Zahnärzte sollten darauf achten, dass einzelne Personen empfindlich gegenüber Restaurationsmaterialien reagieren können und die Bedürfnisse dieser Personen berücksichtigen. Alle Patienten haben das Recht, an der Auswahl der Materialien beteiligt zu werden. …
5. Die Standesorganisationen der Zahnärzte (BZÄK, KZBV) werden nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ggf. mit Empfehlungen oder ähnlichem die Zahnärzteschaft auf Punkte, die von den Zahnärzten bei der Behandlung besonders zu berücksichtigen sind und die Ausübung des Zahnarztberufes betreffen, hinweisen, wie z.B.
- Pulpa-/Dentin-Schutz
- regelrechte Aushärtung
- Politur
- Wahl des Materials.
Autoren: Siehe Literaturangabe.
Literatur:
- Autorenkollektiv (1997): Restaurationsmaterialien in der Zahnheilkunde (Konsenspapier des Bundesministeriums für Gesundheit, Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte, der Bundeszahnärztekammer, Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung, Stand 1.7.1997). Erhältlich über die Pressestelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn.1.7.1997).
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Autorenkollektiv): Amalgame in der zahnärztlichen Therapie (Stand: 2005): www.bfarm.de
- Greenfacts: SCENIHR zu Zahnamalgam (2008): http://copublications.greenfacts.org/de/zahnamalgam/index.htm#9 (zuletzt aufgerufen im Mai 2015)
Autor/innen: Dr. M. Otto, Prof. K. E. von Mühlendahl
Zuletzt aktualisiert: 13.01.2024