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Gesundheitsrisiken und persönliche Risikobewertung
Acrylamid ist gut wasserlöslich, wird gut resorbiert und im Körper schnell und gleichmäßig verteilt.
Es wird geschätzt, dass die durchschnittliche lebensmittelbedingte Acrylamid-Belastung des Verbrauchers bei etwa 0,6 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag liegt (Kommission Human-Biomonitoring 2008). Das entspricht knapp 50 Mikrogramm pro Tag für eine 80 kg schwere Person.
Aktuell (Sommer 2024):
Lange Zeit hatte man angenommen, dass eine „körpereigene“ Acrylamidbildung praktisch nicht stattfindet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fand jedoch in einer im Sommer 2024 veröffentlichten Studie heraus, dass dies doch der Fall ist. Hierzu wurden Stoffwechselprodukte des Acrylamids im Blut und im Urin von Mischköstlern, Veganern und Rohkostlern gemessen und verglichen. Die dahinter stehende Idee ist schnell erklärt: Rohkostler nehmen keine erhitzte, gebratene oder gebackene Nahrung zu sich, diese sollte also praktisch kein Acrylamid enthalten.
Überraschenderweise war der Acrylamidgehalt in Blut und Urin von Rohkostlern nicht „nahezu Null“, sondern lag bei 48 bzw. 25 % der bei Mischköstlern gefundenen Werte. Als mögliche Ursachen hierfür werden „oxidativer Stress“ und / oder Darmbakterien diskutiert.
Interessanterweise nehmen Veganer etwa 40 % mehr Acrylamid auf als Mischköstler. Dies könnte mit dem Verzehr von gebratenem Gemüse sowie von Fleischimitaten auf Tofu-Basis erklärt werden.
Im Stoffwechsel entsteht aus Acrylamid die Verbindung Glycidamid. Diese gilt als die eigentliche krebserzeugende Verbindung (siehe auch BfR 2009).
Acrylamid und insbesondere Glycidamid reagieren mit körpereigenen Proteinen und körpereigener DNA. Die Ausscheidung von Acrylamid, Glycidamid und seiner weiteren Stoffwechselprodukte (“Merkaptursäuren”) erfolgt im Verlauf weniger Stunden vorwiegend über den Urin.
Acrylamid findet sich auch in der Muttermilch und geht auf den Fötus über.
Für Acrylamid sind eine nervenschädigende Wirkung, eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit und eine krebserzeugende Wirkung bekannt.
Neurotoxizität
In hoher Dosis übt Acrylamid hauptsächlich auf das ZNS eine neurotoxische (nervenschädigende) Wirkung aus, während bei geringerer Dosis insbesondere das periphere Nervensystem betroffen ist.
Bei „üblichen Verzehrmengen acrylamidhaltiger Lebensmittel“ wird die Wirkschwelle für die Neurotoxizität um den Faktor 1.000 unterschritten. Allerdings kann sich dieser “Sicherheitsabstand” bei Kindern und Jugendlichen, die große Mengen bestimmter Kartoffelprodukte zu sich nehmen, auf den Faktor 10 verringern.
Fazit: nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) spielt der Acrylamidgehalt in Lebensmitteln in Bezug auf die Neurotoxizität keine nennenswerte Rolle.
Fruchtbarkeit
In Tierversuchen beeinträchtigte Acrylamid auch die Fruchtbarkeit.
Erbgut und Krebs
Acrylamid gilt – nach seiner Umwandlung in sein Stoffwechselprodukt Glycidamid – als genotoxisch (erbgutschädigend) und mutagen (erbgutverändernd). In Tierversuchen rief Acrylamid vererbbare Schäden an Chromosomen der Körper- und Keimzellen hervor. In verschiedenen Organen der Versuchstiere löste Acrylamid die Bildung bösartiger Tumore aus.
Toxikologen der Universität Kaiserslautern kamen in 2019 dagegen zum Schluss, dass es keine ausreichenden Hinweise für eine gentoxische Wirkung beim Menschen nach Aufnahme verbraucherrelevanter Acrylamidmengen gibt.
Acrylamid ist in die Kategorie 2 der krebserzeugenden Stoffe eingestuft worden. Zu dieser Kategorie gehören Stoffe, von denen angenommen wird, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko beim Menschen leisten.
Welches zusätzliche Krebsrisiko von Acrylamid ausgeht, wird von verschiedenen Stellen (Weltgesundheitsorganisation WHO, amerikanische Umweltbehörde EPA, skandinavische und Schweizer Fachleute) sehr unterschiedlich eingeschätzt.
Die Zahlen schwanken zwischen 100 und 10.000 zusätzlichen Krebsfällen pro eine Million Einwohner.
Ursache für die Unterschiede sind Unsicherheiten in den Berechnungsmodellen und letztlich im vermuteten Mechanismus der Kanzerogenese.
Risikobewertung und persönliche Acrylamid-Aufnahme
Beim Erhitzen von stärkehaltigen Lebensmitteln bildet sich Acrylamid.
Ob der Acrylamidgehalt einiger Lebensmittel das Krebsgeschehen in der Bevölkerung beeinflusst, ist noch nicht klar. In epidemiologischen Studien wurde bisher kein Zusammenhang gefunden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist jedoch der Auffassung, dass die Acrylamid-Exposition durch einige Lebensmittel zu hoch ist, um Unbedenklichkeit konstatieren zu können (BfR 2011).
Der jetzige Erkenntnisstand begründet ein Minimierungsgebot (ALARA = “as low as reasonably achievable” = “soweit wie vernünftigerweise machbar”) und gesetzlichen Regelungsbedarf.
Gut zu wissen
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat eine Anleitung und ein Tabellenkalkulationsprogramm ins Internet gestellt, mit deren Hilfe die persönliche Acrylamidaufnahme über Lebensmittel abgeschätzt werden kann. Dazu müssen die Essgewohnheiten angegeben werden.
Das Programm berücksichtigt ausgewählte Lebensmittel mit hohen Acrylamidgehalten.
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Autor/innen: Dr. M. Otto, Prof. K. E. von Mühlendahl
Zuletzt aktualisiert: 27.03.2025