Biomonitoring, Grenzwerte und Richtwerte

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Biomonitoring, Grenzwerte und Richtwerte

Biomonitoring

Bisphenol A kann mit modernen Analyseverfahren (Hochleistungs-Flüssigkeitschromatografie bzw. Gaschromatografie kombiniert mit Massenspektrometrie) bestimmt werden. Der gelegentlich angewendete ELISA-Test ist deutlich weniger zuverlässig.

Biomonitoring-Ergebnisse zu BPA

Die Daten des deutschen Kinderumweltsurveys (KUS) zur Bisphenol A-Konzentration im Urin von Kindern im Alter von 3 – 14 Jahren liegen nun vor (Becker und Mitarb., 2009): 

  • Im geometrischen Mittel über alle Altersgruppen hinweg liegt die Bisphenol A-Konzentration im Urin bei 2.66 Mikrogramm pro Liter. 95 von 100 Kindern haben einen Wert niedriger als 14 Mikrogramm pro Liter.
  • Kinder mit Migrationshintergrund haben deutlich geringere Werte als solche ohne Migrationshintergrund.
  • Zwischen Jungen und Mädchen war kein signifikanter Unterschied feststellbar.

Referenzwerte für BPA

Gesamt-BPA im Urin von 3 – bis 5-jährigen Kindern 30 Mikrogramm/L Urin
Gesamt-BPA im Urin von 6 – bis 14-jährigen Kindern 15 Mikrogramm/L Urin
Gesamt-BPA im Urin von 20 – bis 29-jährigen Erwachsenen  7 Mikrogramm/L Urin

HBM-Werte für Gesamt-BPA

Der HBM-I-Wert für Gesamt-BPA beträgt:

Kinder:         1.5 Milligramm BPA/L Urin
Erwachsene:  2.5 Milligramm BPA/L Urin

Quelle: Kommission Human-Biomonitoring (2012)

Die Daten des US-amerikanischen NHANES-Surveys zeigen im Vergleich mit dem KUS ähnliche Werte:

  • in der Altersgruppe 6 – 11 Jahre lag der geometrische Mittelwert bei 3.6 Mikrogramm pro Liter und
  • 95 von 100 Kindern haben einen Wert niedriger als 16 Mikrogramm pro Liter (Calafat et al., 2008)

Grenzwerte / Richtwerte

EFSA zur Tolerierbaren Täglichen Aufnahmemenge (TDI) für Bisphenol A

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) hat im Januar 2015 die temporär tolerierbare tägliche Aufnahme (t-TDI) auf 4 Mikrogramm Bisphenol A pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt.

Ein temporärer TDI-Wert ist ein”zeitlich befristeter Wert” – etwa bis zum Vorliegen neuer Daten (z.B. zur BPA-Aufnahme über die Haut).

Der Festlegung des t-TDI für Bisphenol A war eine offene und transparente Diskussion des EFSA-Entwurfs unter Beteiligung nationaler Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftlern, der Industrie und der Öffentlichkeit vorangegangen.

Kontroverse um die Bewertung von Bisphenol A

Es geht hauptsächlich um zwei wichtige Fragen, die von der EFSA und einigen BPA-kritischen Verbänden unterschiedlich beantwortet werden:

  1. Welche Wirkung geht von Bisphenol A im sogenannten Niedrigdosisbereich aus?
  2. Können Ergebnisse aus Tierversuchen ohne Weiteres auf den Menschen übertragen werden?

zu 1: Es gibt (wissenschaftlich sehr umstrittene) Studien, die eine besondere Wirksamkeit kleiner Konzentrationen an Bisphenol A annehmen (vom Saal et al. 2007). In ihrer neuesten Bewertung stellt die EFSA fest, dass die verfügbaren Daten diese Annahme nicht stützen würden (“that the available data do not provide evidence of such (non-monotonic dose-response) relationships”).

zu 2: Nein. Neuere Studien haben erhebliche Unterschiede zwischen Mensch und Nagetieren aufgezeigt. Bisphenol A wird beim Menschen rascher verstoffwechselt und ausgeschieden. Ferner zeigte sich, dass Mäuse offenbar besonders empfindlich gegenüber Östrogenen sind. Unterhalb einer Wirkschwelle von 5 Milligramm Bisphenol A pro Kilogramm Körpergewicht konnten aber in einer aussagekräftigen Studie an Mäusen und zwei Generationen von Nachkommen keine schädigenden Wirkungen festgestellt werden.

Grundsätzlich spielt bei der toxikologischen Risikobewertung die Qualität wissenschaftlicher Studien, ihre Anwendbarkeit auf reale Expositionssituationen und die Gesamtschau aller Forschungsergebnisse eine wichtige Rolle (siehe auch: Studienqualität und Übertragbarkeit Tier – Mensch).

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA stellt hier besonders hohe Anforderungen. Das erklärt, warum ca. 40 Nagetierstudien bei einer früheren EFSA-Bewertung nicht berücksichtigt werden konnten.

EFSA: Gutachten zu Bisphenol A (2015):

Ausgehend von Tierversuchen ist es wahrscheinlich, dass hohe Konzentrationen von BPA (die den TDI um mehr als das Hundertfache überschreiten) sich schädlich auf Leber und Nieren auswirken. Auch Auswirkungen auf die Brustdrüsen von Nagetieren durch BPA sind wahrscheinlich. Als „weniger wahrscheinlich“ stuft die EFSA ein, dass durch Bisphenol A im Niedrigdosisbereich Effekte auf die Fortpflanzung und Entwicklung auftreten. Als „weniger wahrscheinlich“ stuft die EFSA ebenso die schädlichen Wirkungen von Bisphenol A auf das Nerven-, Stoffwechsel-, Immun- und Herzkreislaufsystem oder erbgutverändernde und kanzerogene Wirkungen ein.

(Aus den BfR-FAQs zu Bisphenol A (Frage zu EFSA-Bewertungsergebnissen) von 2015).

Umweltbundesamt (D)

Die “Kommission Human-Biomonitoring” hat 2012 eine “Stoffmonographie Bisphenol A (BPA)” herausgegeben.

Bisphenol A: Wem kann man glauben?

Die Kontroverse um Bisphenol A spiegelt sich auch in der Bewertung von Bisphenol A durch nationale und internationale, mit der Risikobewertung befasste Institutionen und Gremien wider.

Umweltbundesamt (D) im Juni 2010

Pressemitteilung des Umweltbundesamtes vom 9.6.2010: “Das Altstoffchemikalien-Programm der EU und die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA bewerten Produkte auf Bisphenol A-Basis für Verbraucherinnen und Verbraucher derzeit als unbedenklich. Kanada, Dänemark und Frankreich dagegen haben aus Vorsorgegründen Bisphenol A-haltige Babyflaschen und andere Produkte für Kinder verboten.

Präsident Jochen Flasbarth: “Aus Sicht des Umweltbundesamtes bestehen zwar noch Datenlücken; doch die vorliegenden Kenntnisse sollten ausreichen, die Verwendung bestimmter Bisphenol A-haltiger Produkte aus Vorsorgegründen zu beschränken.

Europäisches Chemikalienbüro (EU) in 2008

Im Juni 2008 gab das Europäische Chemikalienbüro der Europäischen Union eine aktualisierte Risikobewertung für Bisphenol A heraus (ECB 2008).

Fazit des ECB:

Bisphenol A ist nach neuesten Erkenntnissen weder krebserzeugend noch erbgutverändernd noch reproduktionstoxisch. Bisphenol A gehört auch nicht zu den “PBT” und den “vPvB”-Stoffen. Die Verbraucherbelastung mit Bisphenol A ist als sehr gering einzustufen.

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, 2005 – 2015) (D):

Das BfR befasst sich bereits seit Langem mit der gesundheitlichen Bewertung von Bisphenol A, insbesondere mit dessen Wirkung unter realitätsnahen (verbrauchernahen) Bedingungen.

Im Februar 2015 hat das BfR eine Liste häufig gestellter Fragen und Antworten zu Bisphenol A veröffentlicht. Hier geht das BfR in ausgewogener und differenzierter Weise auf die verschiedenen Belastungsquellen und -pfade ein.

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Autor/innen: Dr. M. Otto, Prof. K. E. von Mühlendahl

Zuletzt aktualisiert: 21.12.2023

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