Glyphosat

Zurück

Ihre Suchergebnisse:

Glyphosat

Glyphosat wurde erstmals 1950 synthetisiert, 20 Jahre später als hochwirksames Herbizid erkannt und von der Firma Monsanto patentiert, die es seit 1974 unter dem Produktnamen Roundup vermarktet. Als (nichtselektiver) Unkrautvernichter soll Glyphosat unerwünschte Wildkräuter und Unkraut abtöten. Der Patentschutz für Glyphosat ist inzwischen erloschen. Knapp hundert Hersteller produzieren weltweit jährlich über 700.000 Tonnen.

Umstritten ist Glyphosat vor allem wegen der kontrovers diskutierten Frage eines möglichen Krebsrisikos sowie seiner ökologischen Auswirkungen, u. a. auf Bienen.

Glyphosat wird in der Regel in Kombination mit Netzmitteln verwendet, die die Aufnahme in die Blätter der Pflanzen befördern. Vor oder kurz nach der Einsaat werden ca. 1 bis 2,5 (max. 4) kg pro Hektar ausgebracht, um unerwünschten Pflanzenwuchs zu unterdrücken (Anwendung als Vorlauf-Herbizid).

Auch nach der Ernte wird Glyphosat eingesetzt. Bis sieben Tage vor der Ernte kann es zur Sikkation (Abreifungsbeschleunigung) von Getreide, Raps und Leguminosen verwendet werden. Dies verringert gleichzeitig die Gefahr, dass Feldfrüchte während der Lagerung von Pilzen befallen werden.

Glyphosat kommt auf 30 bis 50% der Äcker in Deutschland zur Anwendung.

Industriell wurden in den letzten Jahren genveränderte Nutzpflanzen wie z.B. Mais oder Soja entwickelt, die gegenüber Glyphosat resistent sind. Kurz nach der Markteinführung benötigten Landwirte ausschließlich ein glyphosathaltiges Pflanzenschutzmittel, welches während der Wachstumsphase appliziert werden kann.

Neuere Studien zeigen jedoch, dass mittlerweile einige Wildkräuter / Unkräuter Resistenzen gegenüber Glyphosat entwickelt haben. Landwirte in den USA und in südamerikanischen Ländern benötigen heute mehr Glyphosat und zusätzliche Pflanzenschutzmittel, um die gleiche Wirkung wie zu Beginn der Markteinführung der genveränderten Pflanzen zu erzielen.

Ist Glyphosat giftig?

Glyphosat hemmt ein pflanzliches Enzym, welches bestimmte für das Pflanzenwachstum notwendige Aminosäuren (Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan) synthetisiert. Ohne diese Aminosäuren stirbt die Pflanze nach drei bis sieben Tagen ab.

Weil Menschen und Tiere dieses Enzym nicht besitzen, galt Glyphosat lange als ungefährlich. Zudem wird Glyphosat nach einer oralen Aufnahme nur zu etwa 30 % über den Magen-Darm-Trakt absorbiert und innerhalb einer Woche hauptsächlich über den Urin wieder ausgeschieden.

Mittlerweile wurden verschiedene Studien veröffentlicht, die die Gesundheitsgefährdung durch Glyphosat teilweise recht unterschiedlich einschätzen.

Viele Pflanzenschutzmittel bzw. Unkrautbekämpfungsmittel enthalten zugefügte Beistoffe, wie zum Beispiel Tenside oder Tallowamine als Netzmittel. Eine Arbeitsgruppe um den Toxikologen Gilles Eric Séralini stellte die These auf, dass von den beigefügten Stoffen ein wesentlich höheres gesundheitliches Risiko ausgehen könne, als von den eigentlichen (geprüften) Wirkstoffen. Das BfR sieht das anders: Neue toxikologische Erkenntnisse durch die Arbeitsgruppe um Gilles Eric Séralini seien nicht erkennbar. Dass Netzmittel eine gesundheitsschädliche Wirkung haben können, wurde in vielen Studien nachgewiesen und ebenfalls in dem Bewertungsbericht der EU-Wirkstoffbewertung berücksichtigt. Dort wurden auch separate Grenzwerte für die Netzmittel abgeleitet.

Generell sieht das BfR einen Forschungsbedarf im Bereich von Wechselwirkungen von Pflanzenschutzmitteln mit anderen Beistoffen. Eine Bewertung der kumulativen Toxizität von Pflanzenschutzmitteln sollte aufgrund der Mischexpositionen vorgenommen werden. Bisher erfolgt die Bewertung ausschließlich aufgrund separater Untersuchungen der einzelnen Stoffe.

In Tierversuchen verursachten sehr hohe Konzentrationen und wiederholte Gaben von Glyphosat Veränderungen der Leber und der Speicheldrüse. Zudem wurden Reizungen im Magen-Darm-Trakt und der Harnblase dokumentiert.

Glyphosat weist eine geringe Toxizität auf, kann aber eine augenreizende Wirkung haben. Von einer hautreizenden oder sensibilisierenden Wirkung ist nicht auszugehen.

Ist Glyphosat krebserregend?

Im März 2015 hat die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) Glyphosat als Kanzerogen der Gruppe 2A (“wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen”) eingestuft (IARC 2015).

Aus Sicht von IARC bestünde ein statistischer Zusammenhang zwischen einer Glyphosatexposition und einem erhöhten Risiko für so genannte Non-Hodgkin Lymphome (Sammelbezeichnung für maligne Erkrankungen des lymphatischen Systems) sowie für Hauttumore.

Aus Sicht des ebenfalls mit Risikoeinschätzungen befassten BfR ist diese Einstufung wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar und beruht auf nur wenigen Studien. Es liegen andere große epidemiologische Studien vor, die diese Einstufung nicht stützen (BfR 2015).

Auch das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) der Weltgesundheitsorganisation bestätigt im Mai 2016 die Einschätzung des BfR und der EFSA, dass im Falle des Glyphosats kein krebserzeugendes Risiko zu erwarten ist. 

Stört Glyphosat die Fortpflanzung und Entwicklung?

Einige Studien, von denen Anhaltspunkte auf reproduktions- und entwicklungstoxische Wirkungen vorliegen, können nicht in die Gefährdungsanalysen einbezogen werden, weil sehr häufig mit “kompletten Pflanzenschutzmitteln” anstatt mit dem Wirkstoff Glyphosat gearbeitet wurde, internationale Richtlinien und Anforderungen der „Guten Laborpraxis“ nicht eingehalten wurden und die Ergebnisse der Studien nicht vollständig veröffentlicht sind.

Studien, die alle Anforderungen erfüllen, konnten weder eine reproduktions- noch eine entwicklungstoxische Wirkung belegen.

Stört Glyphosat die Darmflora?

Nach Ansicht einiger Wissenschaftler soll Glyphosat die Darmflora negativ beeinflussen, indem Bakterien im Wachstum gehemmt werden. Sie sind der Auffassung, dass dies stärker im Zulassungsverfahren und bei der Festsetzung von Grenzwerten berücksichtigt werden sollte.

Dem BfR ist bekannt, dass bestimmte Wirkstoffe von Pflanzenschutzmittel in hohen Konzentrationen antibakteriell wirken können. Die Konzentration in den angebotenen Produkten ist aber für eine antibakterielle Wirkung zu niedrig. Studien, die eine derartige Wirkung auf Bakterien durch Glyphosat belegen, liegen dem BfR nach eigener Aussage nicht vor.

Eine in der hoch angesehenen Fachzeitschrift PNAS im Herbst 2018 veröffentlichte Studie der Wissenschaftler um Erik Motta (Univ. of Austin, Texas) zeigt, dass Glyphosat die Darmflora von Bienen schädigen kann.

Glyphosat: Rückstände in Lebensmitteln?

Bei der Vorerntesikkation wird Glyphosat erst kurz vor der Ernte angewendet, weshalb dieses nicht mehr abgebaut werden kann. Das meiste Glyphosat befindet sich auf den äußeren Pflanzenteilen. Je nach Art der Weiterverarbeitung der Erntegüter treten in verschiedenen Lebensmitteln somit unterschiedliche Glyphosat-Konzentrationen auf. Produkte, bei denen vorher die äußeren Bestandteile entfernt werden (z.B. Weißmehl), weisen geringere Glyphosat-Konzentrationen auf als Produkte, bei denen die äußeren Bestandteile mitverarbeitet werden (z.B. Vollkornmehl).

Mit Glyphosat behandelte Feldfrüchte werden auch zu Tierfutter verarbeitet. Dennoch konnten verschiedene Studien weder in der Milch noch im Fleisch oder im Fett der Tiere Glyphosat nachweisen.

Biomonitoring

Der BUND (2013) hat 182 Urinproben aus 18 europäischen Ländern auf Glyphosat und den Glyphosat-Metaboliten AMPA untersucht. Die maximale Konzentration lag für Glyphosat bei 1,82 µg/l und für AMPA bei 2,63 µg/l. Das sind Hinweise auf eine Hintergrundbelastung durch Glyphosat, jedoch sind die Konzentrationen so gering, das eine nachteilige Wirkung auf die Gesundheit äußerst unwahrscheinlich ist. Die gesundheitlich bedenkliche Konzentration wird um mehr als das 1000-fache unterschritten.

Aufgrund der sehr geringen Probenanzahl je Land ist die Untersuchung nicht repräsentativ. Ebenso fehlen Angaben über Alter, Körpergewicht und Mengen der Urinausscheidungen pro Person und Tag sowie zur Zusammensetzung und Auswahl der Stichproben.

Übliche Anforderungen an eine wissenschaftliche Studie erfüllt die BUND-Untersuchung nicht.

Grenzwerte

In der Europäischen Union gilt für Glyphosat ein ADI-Wert von 0,5 mg/kg Körpergewicht sowie ein AOEL-Wert von 0,1 mg/kg Körpergewicht und Tag. Die WHO hatte 2004 einen ADI-Wert von 1,0 mg/kg Körpergewicht festgelegt. Die unterschiedlichen Zahlen resultieren aus der Datenbasis der in die Bewertung einbezogenen Studien.

Eine akute Referenzdosis wurde wegen der geringen toxischen Wirkung von Glyphosat dagegen nicht festgesetzt.

Rückstandshöchstgehalte von Glyphosat werden von der europäischen Verordnung 293/2013 (s. Literaturangabe) reguliert.

Glyphosat: Verlängerung der Zulassung

In den letzten Jahren ist viel gestritten worden darüber, ob für das Herbizid Glyphosat die Zulassung verlängert oder versagt werden soll, ob eine Anwendung nur in der gewerblichen Landwirtschaft oder auch etwa in Gärten und Nutzflächen innerhalb der Städte zugelassen werden sollte. In der Diskussion spielen viele Akteure mit: Hersteller, Landwirte, Umweltverbände, Kommissionen und Behörden und die mehr oder weniger gut informierten Medien und damit letztlich auch die an solchen Fragen interessierten Bürger.

Entsprechend der Regulation (EC) No. 1107/2009 muss die Zulassung für „Pestizide“ (Glyphosat ist ein Herbizid (!)) in zehnjährigen Abständen bestätigt werden. Die Hersteller müssen dafür alle neuen Informationen in einem Dossier vorlegen. Für das Glyphosat haben sich die Hersteller zu einer Glyphosat Task Force (GTF) zusammengeschlossen. Die Produzenten können ein EU-Mitgliedland aussuchen, das für die Evaluation des Dossiers verantwortlich ist (Reporting Member State, RMS), wo ein Renewal Assessment Report (RAR) angefertigt wird, der der European Food Safety Authority (EFSA) vorgelegt wird, die ihre Bewertung der Europäischen Kommission (Directorate General for Health and Food Safety) zum Entscheid übergibt.

Für die Glyphosat-Bewertung hat die GTF Deutschland als Reporting Member State RMS ausgewählt, wo das Bundesinstitut  für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) beauftragt wurde; das BfR war verantwortlich für Aspekte, die die menschliche Gesundheit betreffen. Seitens des BfR sind auf dessen Website wiederholt Mitteilungen zum Stand der Dinge erschienen.

Nach Erstellung verschiedener Versionen wurde das BfR-Gutachten der EFSA übergeben. Mitgliedstaaten, Antragsteller sowie die interessierte Öffentlichkeit  konnten in einem von der EFSA organisierten Kommentierungsverfahren zu dem Bewertungsbericht Stellung nehmen.

Die EFSA-Bewertung ist in kursorischer Form publiziert worden. Die EFSA beschied, dass es unwahrscheinlich wäre, dass Glyphosat kanzerogen für Menschen sei. (Glyphosate is unlikely to pose a carcinogenic hazard to humans… the evidence does not support classification with regard to its carcinogenic potential).

Während dieser Prozesse erschien die oben bereits erwähnte Bewertung der International Agency for Research on Cancer (IARC) der World Health Organisation (WHO), in der es heißt, dass Glyphosat wahrscheinlich ein Humankanzerogen sei. (There is limited evidence in humans for the carcinogenicity of glyphosate. A positive association has been observed for non-Hodgkin lymphoma. There is sufficient evidence in experimental animals for the carcinogenicity of glyphosate. Glyphosate is probably carcinogenic to humans (Group 2A).

Die IARC und deren Entscheidungen werden mitunter in Argumentationen als ultimative Autorität angesehen. Dass das aber nicht immer so sein muss, zeigt u.a. die Tatsache, dass es bei der IARC Minderheiten-Voten gegen Entscheidungen gibt (z.B. Entscheidung hinsichtlich der Kanzerogenität von Elektromagnetischen Feldern, Monographie 102/2013). Auch die IARC-Einstufung von Nitriten und Nitraten enthält einige wissenschaftliche Ungereimtheiten und Inkonsistenzen.

Das oben erwähnte Joint Meeting of Pesticide Residues (JMPR), das zur WHO und der Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gehört, hat im Mai 2016 geäußert, dass es bei gebräuchlichen Mengen kein Krebsrisiko für Menschen durch Glyphosat sehe.

Im November 2015 wurde ein Offener Brief an den Commissioner Health and Food Safety, publiziert, der von etwa 100 Wissenschaftlern unterzeichnet worden war. Die Bewertungen des BfR und der EFSA seien falsch. Die IARC-Beurteilung lege die gesamte benutzte Literatur und die Namen der bearbeitenden Autoren offen, wohingegen BfR und EFSA keine Autorennamen nennten und die kompletten Berichte geheim hielten, so dass die Überprüfbarkeit der Entscheidungen eingeschränkt sei.

Das Europäische Parlament hat im März 2016 der Europäischen Kommission empfohlen, die Marktzulassung vorerst nur für sieben Jahre zu erteilen (anstelle der üblichen 15 Jahre) und auf professionellen Einsatz zu beschränken. Die Abgeordneten verlangten außerdem eine unabhängige Überprüfung und die Offenlegung aller wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Bewertung des Herbizids genutzt hat.

Ende November 2017 hatte die EU die Verlängerung der Zulassung um weitere 5 Jahre beschlossen.

In Deutschland wurde seitens des zuständigen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)die Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat bis zum Jahresende 2019 verlängert.

Glyphosat in den Medien: Häufig keine Unterscheidung zwischen Gefährlichkeit (Hazard) und Risiko (Risk)

Wenn von der Öffentlichkeit, den Medien und auch von Fachleuten häufig nicht verstanden wird, warum IARC und EFSA zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, dann ist ein wichtiger Grund dafür, dass der Unterschied zwischen risk (Risiko) und hazard (potenzielles Gefahrenmoment, Gefährlichkeit) nicht berücksichtigt wird:

  • Hazard bezeichnet das Potential, einen Schaden zu verursachen,
  • risk hingegen die Wahrscheinlichkeit, mit der ein solcher Schaden eintreten wird.

Bei Glyphosat geht es beim hazard um die (weiterhin strittige) Frage, ob Glyphosat krebserzeugend ist oder nicht.

Das glyphosatbedingte risk, also die Wahrscheinlichkeit, durch Glyphosat einen gesundheitheitlichen Schaden zu erleiden, wird mehrheitlich als sehr gering eingestuft.

Wenn über gesundheitspolitische Maßnahmen gesprochen wird, dann sollte zuvor eine möglichst genaue Abschätzung von Risiken erfolgen!

Autor/innen: J. Kiel, M. Sc.

Nach oben