Gesundheitsrisiken

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Gesundheitsrisiken

Im Folgenden werden Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung sowie die resultierenden gesundheitlichen Risiken für die drei Quecksilberformen (elementares Quecksilber, anorganische Quecksilbersalze, organische Quecksilberverbindungen) jeweils gesondert betrachtet.

Metallisches (elementares) Quecksilber

Eingeatmete Quecksilberdämpfe werden über die Lunge zu ca. 80 Prozent aufgenommen. In seiner elementaren Form kann Quecksilber die Blut-Hirn-Schranke und die Plazentabarriere passieren.

Nach der Resorption über die Lunge wird das elementare Quecksilber in Erythrozyten, in der Leber und im Gehirn rasch zu anorganischen Quecksilberverbindungen (Hg2+) oxydiert. Hg2+-Ionen können die Blut-Hirn-Schranke und die Plazentabarriere kaum noch passieren. Sie binden sich an schwefelhaltige Biomoleküle, beispielsweise an Glutathion, Hämoglobin und an Enzyme, deren Funktion auf diese Weise beeinträchtigt wird. Nicht oxydiertes elementares Quecksilber kann über die Lunge abgeatmet werden.

Aus dem für Zahnfüllungen verwendeten Dentalamalgam kann Quecksilber auf zwei Wegen weiter in den Körper gelangen: Zum einen geben die Füllungen Quecksilberdampf ab, zum anderen tragen auch Abrieb und Korrosionsvorgänge zur Quecksilberbelastung bei. Früher gelangten auf diese Weise zwischen 3,9 und 21 Mikrogramm Quecksilber pro Tag in den Körper, heute beträgt die Belastung zwischen 3 und 12 Mikrogramm (Kommission Human-Biomonitoring 1999).

Nächtliches unbewusstes Zähneknirschen (Bruxismus) und Kaugummikauen können die tägliche Aufnahme um den Faktor 5 bis 20 erhöhen.

Verschlucktes metallisches Quecksilber wird aus dem Magen-Darm-Trakt praktisch nicht resorbiert. Quecksilber aus einem im Mund zerbrochenen Fieberthermometer ist daher toxikologisch unbedenklich. Dagegen kann aus Fieberthermometern ausgelaufenes Quecksilber verdampfen und besonders in kleinen, schlecht gelüfteten Räumen zu schweren Vergiftungen führen (Feer’sche Erkrankung bei Kleinkindern!).

Anorganische Quecksilbersalze

Anorganische Quecksilbersalze werden aus dem Magen-Darm-Trakt zu etwa 2 – 15 Prozent resorbiert. Gut wasserlösliche Substanzen werden dabei besser aufgenommen als solche mit geringer Wasserlöslichkeit. Entsprechend variiert auch die Toxizität: So ist das kaum wasserlösliche Kalomel (Quecksilber-I-Chlorid) wesentlich weniger giftig als das gut lösliche Sublimat (Quecksilber-II-Chlorid).

Die höchsten Konzentrationen an anorganischen Quecksilbersalzen finden sich in der Niere. Dort binden sich die Quecksilberionen an das schwefelreiche Protein Metallothionein. Auch in der Leber, der Hypophyse und einigen anderen Gehirnarealen reichert sich anorganisches Quecksilber an.

Die Ausscheidung der Quecksilberionen (Hg2+) erfolgt überwiegend über den Urin, bei hoher Zufuhr zusätzlich über den Stuhl.

Organisches Quecksilber

Aufgrund ihrer hohen Fettlöslichkeit werden organische Quecksilberverbindungen aus dem Magen-Darm-Trakt zu über 90 Prozent resorbiert. Auch über die Haut und die Lunge werden sie gut aufgenommen.

Organisches Quecksilber verteilt sich gleichmäßig im Körper, es kann die Blut-Hirn-Schranke und die Plazentabarriere passieren. Organisches Quecksilber wird durch Mikroorganismen im Dickdarm zu Hg2+ umgewandelt, das dann mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Das verbleibende (nicht umgewandelte) organische Quecksilber wird resorbiert.

Etwa 90 Prozent des organischen Quecksilbers werden wieder über den Stuhl ausgeschieden. Daneben lagern sich organische Quecksilberverbindungen auch im Haar ein.

Die Halbwertszeit des organischen Quecksilbers im Blut beträgt 30 bis 70 Tage. In manchen Organen liegt sie möglicherweise im Bereich von Jahren. Die tägliche Aufnahme über Nahrungsmittel wird mit 3 Mikrogramm Quecksilber (vorwiegend als Methylquecksilber) abgeschätzt. Bei fischreicher Kost kann sie auf ca. 14 Mikrogramm pro Tag ansteigen.

Toxizität in Abhängigkeit von der Quecksilberverbindung und der Zufuhr

Wie eine Quecksilberbelastung sich auf die Gesundheit auswirkt, hängt davon ab, welche Quecksilberform (elementar, anorganisch, organisch) aufgenommen wurde, und ob die Aufnahme akut oder chronisch erfolgt. Letztlich ist neben der insgesamt zugeführten Quecksilbermenge auch die Konzentration in den einzelnen Zielorganen entscheidend.

Akute Vergiftung mit elementarem Quecksilber und anorganischen Quecksilbersalzen

Die Inhalation großer Mengen von Quecksilberdampf schädigt zunächst die Lunge. Als kritisch gelten Konzentrationen von mehr als 1 Milligramm Quecksilber pro Kubikmeter Luft. Sie können zu Husten, Atemnot und schwersten Entzündungen von Bronchien und Lunge führen. Die orale Aufnahme von anorganischen Quecksilbersalzen macht sich schnell durch Metallgeschmack und vermehrten Speichelfluss (Hypersalivation) bemerkbar.

Im weiteren Verlauf kommt es zu Verätzungen des gesamten Magen-Darm-Traktes mit Erbrechen und Durchfällen. Als Folge treten schwere Elektrolytverschiebungen auf, die zum Schock führen können. Ferner kommt es zu akutem Nierenversagen. Später kommen zentralnervöse Krankheitszeichen hinzu. Die tödliche Dosis für einen Erwachsenen liegt bei ca. 1 bis 4 Gramm.

Chronische Vergiftung mit elementarem Quecksilber und anorganischen Quecksilbersalzen

Früher galten beruflich exponierte Menschen – etwa Hutmacher, die mit quecksilbergebeizten Fellen und Filz arbeiteten – allgemein als verrückt (“Mad Hatter” aus Alice im Wunderland). Viele neuere Erkenntnisse über die chronische Quecksilbervergiftung stammen ebenfalls aus der Arbeitsmedizin.

Leitsymptome für eine lang andauernde inhalative Belastung mit Quecksilberdampf sind Tremor (beginnend mit feinschlägigem Fingerzittern), krankhaft gesteigerte Erregbarkeit und eine Entzündung der Schleimhaut der Zahnbögen (Gingivitis). In weiteren arbeitsmedizinischen Untersuchungen zur chronischen Quecksilberintoxikation wurden Schäden an verschiedenen anderen Organen beobachtet. Betroffen sind etwa das Zentralnervensystem mit einer Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses und der Koordinationsfähigkeit, das sensorische System mit Störungen des Farbsehens, das periphere Nervensystem, die Niere mit einer Glomerulonephritis infolge der Bildung von Immunkomplexen.

Selten kommt es auch zu einer Autoimmunerkrankung der Nieren. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Sensibilisierung der Haut, allergische Reaktionen sind jedoch selten.

Untersuchungen bei amalgamverarbeitenden Zahnärztinnen haben gezeigt, dass bei mangelhaften Arbeitsbedingungen die Fruchtbarkeit beeinträchtigt sein kann.

Beim Kind führt die chronische Intoxikation zum – heute seltenen – Bild der Feer’schen Krankheit (Synonyma: Feer’sche Neurose, M. Selter-Swift-Feer, Akrodynie, Pink Disease). Offensichtlich ist der Organismus, insbesondere das Gehirn, bei Kleinkindern empfindlicher gegenüber relativ geringen Quecksilbermengen, als das bei Erwachsenen der Fall ist. Es hat wiederholt Fallberichte über Kleinkinder gegeben, die bereits bei Urinkonzentrationen unterhalb von 50 Mikrogramm pro Liter schwere Krankheitsbilder entwickelt haben.

Die Symptomatik wird von zerebralen, vegetativen und dermatologischen Symptomen geprägt: ausgeprägte Hypotonie, später Verweigerung von Gehen, Stehen und Sitzen, unlustiges, mürrisches, jämmerliches Verhalten, motorisch bedingte Apathie, Muskel- und Gliederschmerzen, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, nächtliche Schlafstörungen, tags Somnolenz, vermehrtes Schwitzen, ausgeprägter Juckreiz, Blutdruckerhöhung, Lichtscheu; symmetrische Rötung (Akrodynie, Pink Disease) an der Nase und an Händen und Füßen (von Mühlendahl 1990 und 1991).

Akute und chronische Toxizität organischer Quecksilberverbindungen

Exanthem akut auftretend, im Gegensatz zum chronischen Ekzem an den Gesäßbacken.Exanthem akut auftretend, im Gegensatz zum chronischen Ekzem an den Gesäßbacken.Unsere Kenntnisse zur Gefährlichkeit organischer Quecksilberverbindungen stammen vorwiegend aus zwei Umweltkatastrophen: der illegalen Einleitung von Quecksilberverbindungen in die Minamatabucht (Japan) und der Massenvergiftung im Irak durch quecksilbergebeiztes Saatgut, das irrtümlich zur Brotherstellung verwendet wurde.

Organische Quecksilberverbindungen wirken hauptsächlich auf das Nervensystem. Es kommt zu Sehstörungen (verschwommenes Sehen, Einschränkung des Sehfeldes), Hörstörungen (Hörverlust, Einschränkungen im Wortverständnis) und Sensibilitätsstörungen (Finger, Zehen), gefolgt von Problemen beim Gehen und der Armmotorik (s. Übersicht bei F. Schweinsberg, 2002).

Die Übergänge zwischen akuter und chronischer Vergiftung sind fließend. Während der Schwangerschaft aufgenommenes organisches Quecksilber beeinträchtigt die Kindesentwicklung. Die Auswirkungen auf das Ungeborene sind in mehreren Studien gut untersucht worden. Kinder weisen eine im Vergleich zu Erwachsenen 5 – 10-fach erhöhte Empfindlichkeit gegenüber organischem Quecksilber auf, die sich in motorischen und kognitiven Entwicklungsstörungen äußert:

“Erste Symptome waren verzögertes Gehen- und Sprechenlernen. Bei vier- bis siebenjährigen Kindern belasteter Mütter wurden Hörverluste, erhöhter Muskeltonus in den Beinen, gesteigerter Sehnenreflex (nur bei Jungen) und Ataxie festgestellt. Die empfindlichsten Reaktionen wurden bei Siebenjährigen in neurophysiologischen Tests beobachtet (…).” (Kommision Humanbiomonitoring 1999).

In zwei großen, auf den Färöer Inseln und den Seychellen durchgeführten Studien ist der Frage nachgegangen worden, welchen Einfluss der regelmäßige Konsum deutlich quecksilberbelasteter Fische und Meeresfrüchte (mittlerer Gehalt ca. 0,3 Milligramm pro Kilogramm Fisch) während der Schwangerschaft auf die Kindesentwicklung hat.

Die Färöer-Studie lieferte Hinweise darauf, dass es mit zunehmender Quecksilberkonzentration zu Entwicklungsdefiziten bei den Kindern kommt: Bei 7-Jährigen zeigten sich Auffälligkeiten in neuropsychologischen Tests, wenn der (Organo-)Quecksilbergehalt im Haar der Mutter 10 Milligramm pro Kilogramm überstieg. Veränderungen im Bereich von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Sprache traten bereits bei noch geringeren Werten auf. Warum derartige Entwicklungsstörungen in der Seychellen-Studie nicht beobachtet wurden, ist bisher nicht geklärt.

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Autor/innen: Dr. M. Otto | Prof. K. E. von Mühlendahl

Zuletzt aktualisiert: 13.01.2024

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